Tesla baut nicht nur aufsehenerregende Elektroautos. Das Unternehmen hat mit Elon Musk auch einen Chef, der die Kunst der Eigen-PR wie kaum ein zweiter beherrscht. Nun schafft Musk ein neues Husarenstück: Er modelt einen Rückruf zur High-Tech-Dienstleistung um.
Tesla-Chef Elon Musk ist kein Manager, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Mal gibt er kleinere Produktionsprobleme zu, dann kabbelt er sich in Blogeinträgen mit Journalisten - oder lacht in Fernsehinterviews über Konkurrenten. Teslas Verkaufszahlen haben die markigen Aussagen des Chef aber eher beflügelt als gedrückt. Denn der gebürtige Südafrikaner erkennt wie wenig andere die Grenze zwischen gewagt und peinlich - und hat so in den vergangenen Jahren ein goldenes Händchen für die richtige Werbung in eigener Sache entwickelt. 
Elon Musk.
(Bild:© Tesla)
 Nun hat sich das PR-Talent Musk selbst übertroffen. "Das Wort "Rückruf" sollte zurückgerufen werden", twitterte Musk gestern launig. Und er hatte allen Grund zur Freude: Denn Tesla ist das Kunststück gelungen, die Behebung eines möglichen Produktfehlers zur Hi-Tech-Dienstleistung der Sonderklasse umzumünzen.
Und das ist keine kleine Leistung. Denn der Auslöser Musks von Twitter-Kommentar war zunächst mal ziemlich unspektakulär. Im November 2013 brach in einer Garage der Universität California-Irvine in den frühen Morgenstunden ein Feuer aus, das prompt gelöscht werden konnte. Doch in der Garage war zum Zeitpunkt des Feuers auch ein Model S-Elektroauto an eine Tesla-Ladestation angeschlossen. Und das brachte Tesla bald in die Bredouille. Denn die lokale Feuerbehörde kam in einem Bericht zu dem Schluss, dass ein "elektrischer Defekt in dem Ladesystem für ein Elektroauto" das Feuer ausgelöst haben dürfte.
Tesla bestritt diese Schlussfolgerung wochenlang. Doch das Risiko, dass Teile in Tesla-Produkten möglicherweise Brände auslösen könnten, wollte der kalifornische Elektroautopionier auf keinen Fall eingehen. Der Autohersteller löste das Problem zügig auf eine für die Branche durchaus übliche Weise: Durch Veränderungen an den Bauteilen und an Steuerprogrammen.
Tesla schafft Rückruf, der keiner war?
Zum einen verbesserten die Tesla-Ingenieure die Software, die den Ladevorgang des Model S steuert. Sobald das Ladesystem nun ungewöhnliche Fluktuationen im Ladestrom misst, reduziert es die Stromzufuhr auf 25 Prozent des Normalwertes.
Zum anderen haben die Tesla-Techniker einen verbesserten Adapter für zu Hause installierte Ladesysteme entwickelt. Steigt die Temperatur rund um den Wandstecker an, unterbricht der Adapter nun automatisch die Stromzufuhr. Beides sind ganz normale Produktverbesserungen, die Risiken minimieren sollen.
Tesla stellt seinen Kunden das Software-Update und den verbesserten Adapter kostenlos zur Verfügung - wie es bei klassischen Rückrufen in der Autoindustrie üblich ist. Nur, dass Tesla die gesamte Aktion eben niemals als Rückruf bezeichnet hat. Denn Teslas großer Vorteil ist, dass die betroffenen Model S für Software-Verbesserungen nicht in die Werkstatt müssen.
Da sämtliche verkauften Modelle ab Werk mit einer ständigen Internetverbindung ausgeliefert werden, lässt sich das Software-Update ohne Teiletausch automatisch in die Fahrzeuge einspielen. Die neuen Adapter für die Ladeboxen verschickt Tesla laut Elon Musk per Post, und diese dürfen die betroffenen Kunden dann selbst austauschen.
Das rollende Smartphone, powered by Tesla
Eine erneuerte Software, der Einbau verbesserter Teile - das waren bisher die klassischen Indikatoren für einen Rückruf. Auch die US-Verkehrssicherheitsbehörde sieht das so. Auf ihrer Website Safecar.gov bezeichnet sie Teslas Maßnahmen folgerichtig als "recall", also Rückruf, der für exakt 29.222 betroffene Fahrzeuge gilt. Das ist die Gesamtheit aller bisher verkauften Tesla Model S. Teslas Update samt Adaptererneuerung ist damit quasi ein total recall - auch wenn die von Tesla gestarteten Maßnahmen ohne Werkstattbesuch auskommen.

Aber dieses böse, böse Wort aus der alten Autowelt will Tesla natürlich nicht benutzen. Stattdessen bezeichnet Musk auf Twitter das Ganze rhetorisch geschickt als "over-the-air software update" - und rückt seine Elektroautos damit in die Liga von Smartphones auf vier Rädern. Eine Steilvorlage, die einige auch gleich aufgriffen. So analysierte die MIT Technology Review auf ihrer Website postwendend, weshalb Teslas Internet-Reparaturen die Zukunft gehören. Eines ist ihnen dabei aber entgangen: Mit dem Update hat Tesla auch ein Stück weit zugegeben, das eigene Ladesystem nicht ausreichend gründlich getestet zu haben. Denn sonst bestünde ja kein Anlass dazu, jetzt nachzubessern. Tesla ist damit beileibe nicht alleine: In den letzten Jahren sind die offiziellen Rückrufe der Autohersteller deutlich gestiegen. Doch bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren sind oft falsch geplante oder schlecht produzierte Teile der Grund für die Werkstatt-Pflichtbesuche.
Teslas geringe Größe und die konsequente Ausstattung seiner Fahrzeuge mit Internetzugängen waren in diesem Fall ein Riesenvorteil. Doch den Kalifornieren waren die Image-Risiken, die ein solcher Rückruf mit sich bringt, wohl bewusst. Denn wenige Stunden, nachdem die US-Verkehrssicherheitsbehörde den Rückruf veröffentlichte, meldete Tesla einen neuen Verkaufsrekord - und hatte so gute Schlagzeilen. Das war sicherlich reiner Zufall.

Gastbeitrag. MM mit freundlicher Genehmigung
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